Warum ich Züchterin wurde – Meine persönliche Geschichte

von Sandra Lindberg27. Oktober 2024
Diting
Ich glaube, dass es auf diese Frage unendlich viele verschiedene Antworten gibt. Hätte man mich vor mehreren Jahren gefragt, wäre meine Antwort eine ganz andere gewesen als heute. Damals dachte ich, es wäre eine großartige Idee, einen zuchttauglichen Shar Pei aus China zu importieren, um zur Erweiterung der geringen genetischen Vielfalt in Europa beizutragen. 

Jeder Beginn ist ein Anfang 

Während meiner Zeit in China hatte ich verschiedene Shar Pei gesehen – einige mit mehr Falten, andere mit weniger – und ich hatte Geschichten über die Rasse von alten Bauern auf dem Land in Yunnan gehört. Ich erkannte, dass vieles von dem, was ich zu wissen glaubte, nur einzelne Teile eines viel größeren und komplexeren Puzzles waren.

Ich habe meinen kleinen "meatmouth" Shar Pei geliebt, den ich im Alter von ca 4 Wochen als Welpen auf einem Hundemarkt in Kunming,in Süd Ost China gekauft hatte. Damals dachte ich, es sei ein gutes Zuchtziel, solche Shar Pei zu züchten: scheinbar gesunde Shar Pei, frei von den typischen rassespezifischen Krankheiten, die dem europäischen Idealbild entsprachen. Heute muss ich über meine damalige Naivität schmunzeln. Aber ein Anfang ist eben ein Anfang, und jeder Schritt auf einem Weg ist wichtig, weil er zum nächsten führt.

Ein Blick nach China

Während der vielen Jahre, die ich in China gelebt habe und später auch in Europa habe ich zwar zahlreiche Shar Pei gesehen, aber meist konnte ich nicht mehr sagen als „gefällt mir“ oder „gefällt mir nicht“. Ich hatte auch Bilder von sogenannten „traditionellen“ Hunden aus Hongkong gesehen, die mir – mit wenigen Ausnahmen – optisch nicht gefallen haben, irgendetwas stimmte da einfach nicht für mich. 

Durch eine chinesische Freundin kam ich über das online Messenger-Programm WeChat mit chinesischen Shar Pei-Züchtern in Kontakt. Zu diesem Zeitpunkt waren das nur lose Kontakte, mit denen ich gelegentlich über die eine oder andere Frage sprach. Fragen hatte ich viele, denn ich wollte mehr über diese spezielle Rasse erfahren. 

Meine erste Anlaufstelle war schon einige Jahre zuvor Matgo Law in Hongkong, den ich damals kontaktiert hatte. Geduldig beantwortete er meine vielen Fragen per E-Mail und vermittelte mir ein solides Basiswissen über die Rasse, wofür ich bis heute dankbar bin. 

2017 besuchte uns Matgo Law für eine Woche in der Schweiz. Dank der vielen intensiven Gespräche hatte ich erstmals das Gefühl, die Rasse, ihren Ursprung und die vielen Missverständnisse, die in den letzten 50 Jahren entstanden sind, wirklich zu verstehen. 

Matgo Law war auch einer der ersten, der mich dazu motivierte, nicht nur meine Zuchtgedanken weiterzuverfolgen, sondern auch meine Recherche über die Rasse in China, da er dazu nie die Gelegenheit hatte. 

Seine Ratschläge sind bis heute ein wesentlicher Bestandteil meiner Zuchtziele und Visionen für den ursprünglichen Shar Pei.

Der Weg des Lernens 

Nach und nach begann ich, mein Wissen systematisch und ernsthaft aufzubauen. Mir war klar, dass ich mehr über den Shar Pei verstehen musste, also richtete ich meinen Blick auf China, denn vieles schien uns in Europa nicht bekannt zu sein. Meine Motivation war ein Gespräch mit Matgo Law über Shar Pei in Yunnan. Ich erzählte ihm von den Geschichten, die ich von alten Bauern gehört hatte, und von den Hunden, die ich gesehen hatte. Er erzählte mir von der ersten Hundeshow in Kunming, bei der er als Richter fungierte, und dass die Verantwortlichen damals verneinten, dass es Shar Pei in Yunnan gäbe. Ich versprach ihm, mehr über die Shar Pei in Südchina herauszufinden, da offensichtlich viele Informationen fehlten. 

Zeit des intensiven Lernens 

Ich trat nun in intensiveren Kontakt mit Shar Pei-Züchtern aus ganz China, von Guangdong bis Yunnan. Zudem lernte ich weitere lokale Hunderassen kennen, die scheinbar Einfluss auf die verschiedenen Shar Pei-Populationen in Südchina hatten. Ich sprach auch mit indischen Züchtern seltener Rassen, von denen eine nach alten Aufzeichnungen vom Shar Pei abstammt, der über Handelswege nach Nordindien gelangt war. Ich begann, Studien zur Evolution der Hunde zu lesen und verschlang jede chinesische Studie, die sich mit lokalen Rassen, ihrer Verbreitung und ihrem Alter beschäftigte.

Um diese Studien zu verstehen, musste ich mir ein solides genetisches Basiswissen aneignen, was mir als Züchterin in doppelter Hinsicht zugutekam. Je mehr ich las, desto klarer wurde mir, dass ich dieses Projekt wissenschaftlicher angehen musste. Ich befragte die chinesischen Züchter intensiver und gezielter zu verschiedenen Aspekten der Rasse – nicht nur in Bezug auf Geschichte und Kultur, sondern auch in Bezug auf Gesundheit, Langlebigkeit und den, wie ich damals dachte, wichtigen Rassestandard. Diese Informationen und Daten zu sammeln, zu vergleichen, auszuwerten und zu einem größeren Bild zusammenzufügen, war und ist bis heute sehr zeitintensiv. Doch diese Arbeit bereitet mir große Freude, da sich das Bild der Rasse ständig erweitert und neue Erkenntnisse auftauchen. 

Einer der faszinierendsten Aspekte war von Anfang an die unterschiedliche Optik der Rasse in China und Europa und die sehr unterschiedlichen Gesundheitszustände der Hunde. Es war mir daher wichtig, mich auch mit der Rasse in Europa intensiv zu beschäftigen. 

Reflektion 

2018 begann ich, meine ursprünglichen Zuchtideen zu überdenken, und stellte fest, dass sich meine Vision aufgrund all dessen, was ich bis dahin gelernt hatte, verändert hatte. Ursprünglich wollte ich durch den Import eines Shar Pei aus China die genetische Vielfalt in Europa erweitern. Jetzt verfolgte ich jedoch eine andere Idee. Die Leidenschaft und emotionale Verbundenheit, die mir vor allem ältere chinesische Züchter zeigten, berührte und motivierte mich. Diese Hingabe, den Shar Pei als Kulturgut in seiner Ursprünglichkeit zu bewahren, ersetzte nach und nach meine anfängliche Motivation. Im Januar 2019 holte ich schließlich meine Hündin Diting aus China in die Schweiz. In dieser Zeit entschied ich, meinen Zwinger bei der China Kennel Union (CKU) anzumelden, da ich damals noch glaubte, dass die Zucht innerhalb der „offiziellen FCI-Welt“ der richtige Weg sei. 

Einsicht und Ausblick

Rückblickend auf die vergangenen Jahre habe ich eine wichtige Lektion gelernt: Nie in festgefahrenem Denken zu verharren und stets bereit zu sein, neue Erkenntnisse zu integrieren, um die eigenen Zuchtvisionen zu reflektieren und anzupassen. 

 

Viele Puzzleteile habe ich inzwischen zusammengefügt, doch es fehlen noch einige, die mit der Zeit – durch genetische Studien oder durch zukünftige Feldforschung in China – ergänzt werden. Das Wertvollste, was ich in all den Jahren gewonnen habe, sind nicht nur das Wissen und die Einsichten, sondern auch die Freundschaften mit Menschen aus aller Welt, die meine Leidenschaft für den Shar Pei teilen. 

Als ich 2019 Diting abholte, wusste ich, dass ich auch nach einem passenden Rüden suchen musste. Schließlich fand ich ihn dank der Großzügigkeit seines Züchters, Huang Zhu Hua, der inzwischen nicht nur ein Freund, sondern auch mein wichtigster Mentor geworden ist. 

Ergänzungen

Im Herbst 2024, einige Jahre nachdem ich diesen Artikel ursprünglich verfasst habe, lassen sich innerhalb Europas in vielen weiteren EU-Ländern weitreichende und nachhaltige tierschutzrechtliche Veränderungen erkennen. Diese betreffen selbstverständlich auch den Shar Pei. Als langjähriger Shar-Pei-Freund und Liebhaber der Rasse begrüße ich diese Entwicklungen mit großer Zuversicht. Denn ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, dass eine gesunde Zukunft für meine geliebte Rasse möglich ist.

Ich bin überzeugt, dass wir Menschen noch viel mehr lernen und vor allem ein neues Bewusstsein entwickeln müssen. Wir müssen unsere Denkweise über Hunde als Lebewesen grundlegend überdenken, denn sie verdienen ein Leben frei von Leid und Schmerzen – ein Zustand, den wir Menschen allzu oft als „normal“ für sie hinnehmen.

Warum bin ich Züchterin geworden?

 

Wahrscheinlich wird jeder diese Frage anders beantworten.

Für mich, nach einer inzwischen mehrere Jahre dauernden Lernreise, ist klar, warum ich meine Zuchtpläne weiterverfolgen möchte. Ich möchte die Leidenschaft und die Verbundenheit zum Shar Pei bewahren, die ich durch meine chinesischen Freunde entdeckt und erlebt habe.

Ich hoffe, andere ebenso zu inspirieren, wie ich inspiriert wurde, denn der Shar Pei ist mehr als nur ein Hund – er ist ein Stück chinesischer Kultur!